Ökologische Kinderrechte: Kinder haben das Recht auf eine gesunde Umwelt

Der Klimawandel und Umweltprobleme, wie verschmutztes Trinkwasser oder hohe Schadstoffbelastung in Böden und in der Luft, schädigen Kinder auf vielfältige Weise. So sind verschmutzte Luft oder verseuchtes Wasser bei ihnen eine der häufigsten Todesursachen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jedes Jahr mindestens 1,7 Millionen Kinder unter fünf Jahren an umweltbedingten Krankheiten, das sind 26% aller Todesfälle in dieser Altersgruppe. Vor allem Kinder in den Ländern des Südens sind betroffen.

Die größten Verursacher des Klimawandels sind die Industriestaaten, aber die Folgen bekommen vor allem die Entwicklungsländer zu spüren. Sie können sich kaum vor Überschwemmungen und Dürrewellen schützen. Dabei sind besonders diejenigen, die am wenigsten Verantwortung tragen: Kinder in Entwicklungsländern. Ihnen drohen Hunger und Krankheiten, oft gefährden die Folgen des veränderten Klimas die Lebensgrundlagen ganzer Familien. Dabei haben Kinder ein Recht auf eine gesunde Umwelt und positive Zukunftsperspektiven.

Theorie: Was sind ökologische Kinderrechte

Der Begriff „Ökologische Kinderrechte“ hat mittlerweile Eingang in die gesellschaftspolitische Diskussion um Kinderrechte gefunden. Die deutsche National Coalition, ein Bündnis von über 100 Organisationen, die sich in Deutschland für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention einsetzen, definiert den Begriff als:
„Recht eines jeden Kindes auf dieser Welt, in einer intakten Umwelt aufzuwachsen, ein gesundes Leben zu führen und positive Zukunftsperspektiven zu entwickeln“.

In der UN-Kinderrechtskonvention werden Ökologische Kinderrechte nicht explizit erwähnt, dennoch lassen sich aus einigen Artikeln der Konvention ökologische Rechte für Kinder ableiten.

Dazu gehören unter anderem:
Artikel 6: „Das Recht jeden Kindes auf Leben“,
Artikel 24: „Das Recht jeden Kindes auf das höchstmögliche Maß an Gesundheit“;
Artikel 27: „Das Recht jeden Kindes auf angemessene Lebensbedingungen“.und indirekt
Artikel 28: „Das Recht eines jeden Kindes auf Bildung“,
denn durch die Schädigung von Umweltressourcen sind Kinder häufig gezwungen zu arbeiten, um das Überleben der Familie zu sichern, und können deshalb nicht zur Schule gehen.

Andere völkerrechtlich nicht verbindliche Übereinkünfte, wie die Agenda 21 und auch die Nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen verknüpfen Umweltschutz und Armutsbekämpfung und legen dabei einen besonderen Fokus auf das Wohl der Kinder.

Ökologische Kinderrechte haben zum Ziel, für und mit Kindern und Jugendlichen die natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern sowie Lebensstile in Nord und Süd zu entwickeln, die für heutige und für künftige Generationen nicht nur das Überleben, sondern ein lebenswertes Dasein sichern. Praktisch geht es zum Beispiel um gesundes Essen, sauberes Trinkwasser, schadstofffreie Luft, ein gesundes Wohnumfeld und intakte Ökosysteme – für alle Kinder weltweit, heute und auch noch morgen!

Fakten: Klimawandel verletzt Kinderrechte

Auch wenn es offiziell den Begriff „ökologische Kinderrechte“ noch nicht gibt, hat er bereits seinen Weg in die gesellschaftspolitische Diskussion um Kinderrechte gefunden. Denn durch den Klimawandel werden verschiedene bestehende Kinderrechte verletzt:

  • Extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Hurrikans und Überschwemmungen gefährden Kinderleben. Dies verletzt das Recht auf Leben (Artikel 6 der UN-Kinderrechtskonvention).
  • Temperaturanstieg und Überschwemmungen fördern die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Dengue und Gelbfieber oder Malaria. Hierdurch wird das Recht auf Gesundheit (Artikel 24) verletzt. Setzt sich der Trend fort, werden bis zum Jahr 2100 60 Prozent der Weltbevölkerung der Gefahr einer Malariainfektion ausgesetzt sein.
  • Dürren und Überschwemmungen gefährden die Ernährungssicherheit und die Trinkwasserversorgung. Überschwemmungen und Hurrikans zerstören Häuser und Hütten. Hierdurch wird das Recht auf angemessene Lebensbedingungen (Artikel 27) verletzt.
  • Der Klimawandel erzeugt wirtschaftliche Not, die Probleme wie frühe Heirat verschärft. In Dürreperioden verheiraten Familien ihre minderjährigen Töchter um die Anzahl der zu ernährenden Familienmitglieder zu reduzieren und mit Hilfe des Brautpreises die übrigen Kinder durchzubringen.
  • Jedes siebte Kind auf der Welt ist einer aktuellen Unicef-Studie zufolge Luftverschmutzung ausgesetzt, die das Sechsfache oder mehr des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gesetzten Richtwerts überschreitet – das heißt: 300 Millionen Kinder weltweit atmen täglich extrem giftige Luft.
  • Gegenwärtig werden jedes Jahr schätzungsweise 250 Millionen Menschen Opfer von Naturkatastrophen. Bedingt durch den Klimawandel rechnen Experten bis zum Jahr 2016 mit einem weiteren Anstieg auf 350 Millionen Betroffene jährlich. Allein 175 Millionen davon werden Kinder sein. Der Großteil von ihnen lebt in Armut.

Praxis – die globale Situation

Zwischen Recht und Praxis ist jedoch eine große Kluft. Viele Kinder leiden unter den Folgen des Klimawandels. Durch Überschwemmungen, Dürren und Umweltkatastrophen fehlt ihnen die Nahrungsgrundlage. Schlechte Trinkwasserqualität und Epidemien machen sie krank.

Die bereits heute eingetreten Klimaänderungen haben weitreichende Auswirkungen auf Mensch und Natur. Der Klimawandel bedroht eine gerechte und nachhaltige Entwicklung“. Dies steht im neuesten Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), einem Gremium internationaler Wissenschaftler zum Klimawandel.

Der Klimawandel und Umweltprobleme, wie verschmutztes Trinkwasser oder hohe Schadstoffmengen in Böden und in der Luft, schädigen Kinder auf vielfältige Weise. So sind verschmutzte Luft oder verseuchtes Wasser bei ihnen eine der häufigsten Todesursachen.

Während vor allem die Industrieländer die „Klimasünden“ begangen haben, sind hauptsächlich arme, kinderreiche Länder von den Folgen des Klimawandels betroffen. Extreme Wetterereignisse wie Dürren, schwere Stürme und Überschwemmungen zerstören zum Beispiel Ernten, Straßen, Schulen und Eigentum. Vielerorts verschärfen die Folgen des Klimawandels bereits vorhandene Umweltschäden und Armut. Jedes Jahr sterben rund 250.000 Kinder unter 5 Jahren an den Folgen des Klimawandels.

Menschenverursachte Umweltveränderungen gefährden das Wohlergehen und die Sicherheit der Menschen. Vor allem die Ärmsten der Armen sind von den Folgen der Umweltzerstörung betroffen. Armut bedeutet für die Betroffenen, neben materiellen Aspekten, die Aussichtslosigkeit ihrer Lebenssituation, Machtlosigkeit gegenüber Korruption und Gewalt, Ausgrenzung von Wohlstand und Mitbestimmung sowie Schutzlosigkeit vor den Risiken des Lebens. Sie sind existenziellen Risiken wie Krankheit, Hunger oder Einkommensausfall stärker ausgesetzt und leben aus wirtschaftlicher Not oft an besonders gefährdeten Orten. Die meisten Todesopfer durch Umweltkatastrophen sind in Entwicklungsländern zu beklagen. Als verletzlichste Gruppe sind dort gerade Kinder und Jugendliche armer Familien betroffen.

Seit Jahren wächst die Zahl der Menschen, die auf Grund von Klimaveränderungen ihre Heimat zeitweilig bzw. dauerhaft verlassen oder die aufgrund von plötzlichen Unwetterkatastrophen fliehen müssen. Selten lässt sich Flucht ausschließlich auf den Klimawandel zurückführen. Oft verschärft dieser jedoch extreme Armut, und Verletzlichkeit, Konflikte, oder fehlenden Zugang zu Bildung, Einkommensmöglichkeiten und Gesundheitsversorgung als Fluchtursachen.

Ausblick

Um die Kinder besser vor den Auswirkungen vom Klimawandel schützen zu können, setzen sich immer mehr Organisation ein, um auf die Bedeutung der „ökologischen Kinderrechte“ zu aufmerksam zu machen. Da die Kinder am meisten vom Klimawandel betroffen sind, muss die Armutsbekämpfung auch bei ihnen anfangen. Kinder und Jugendliche sollten aktiv in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Dies gilt auch für Anpassungs- und Klimaschutzmaßnahmen. Umweltbildung trägt auch sehr zur Vorbeugung und Reaktion auf die Auswirkungen des Klimawandels bei: Werden Kinder und Jugendliche in der Schule oder anderswo für Natur und Umwelt bzw. deren Schutz sensibilisiert, so sind viele von ihnen motiviert, selber für den Umweltschutz aktiv zu werden. Als Multiplikatoren geben sie ihr Wissen an die Familien und Gemeinden weiter und motivieren auch diese zum Handeln. Kinder und Jugendliche können auch einen wichtigen Beitrag zur Katastrophenvorbeugung leisten. Sie halten sich häufig im Freien auf, beobachten ihre Umwelt, kennen ihr Umfeld genau und bemerken so Veränderung oft als erstes. Sie können zur Anpassung an den Klimawandel oder zur Vermeidung von Umweltschäden wichtige Inputs leisten.

Wichtig ist, dass die betroffenen Länder nicht allein bleiben mit den global verursachten Problemen. Sie brauchen weltweit gültige und verbindliche Vereinbarungen zur Bewältigung der klimabedingten Herausforderungen und konkrete methodische wie auch finanzielle Unterstützung, damit sie Herausforderungen wie Armutsbekämpfung und Maßnahmen, die die Verletzlichkeit der am stärksten vom Klimawandel bedrohten Menschen verringern, bewältigen können.

Hintergrundinformationen

WHO – Fotoserie
WHO – Infrographik: Englisch und Französisch
Kindernothilfe-Dossier „Umweltschutz ist Kinderrecht“ mit Fachinformationen und Fallstudien
Kindernothilfe-Ausstellung: Umweltschutz ist Kinderrecht

Fallstudie
Holistic Child Development India (HCDI) (2009): Kinder aus der Landbevölkerung Indiens sprechen über den Klimawandel und seine Folgen

Filme
Die Rechnung – Kurzfilm – Germanwatch : In dem vierminütigen Beitrag von Peter Wedel steht der CO2-intensive Lebensstil eines Großstädters (gespielt von Benno Fürmann) im Gegensatz zu den vom Klimawandel am stärksten betroffenen Menschen in Entwicklungsländern.
WHO: Preventing disease through healthy environments
Für Kinder erklärt: die Klimabelastung (Dein SPIEGEL)
One family against a world of climate change | UNICEF
Flucht vor dem Klimawandel [Doku 2016]

Dieser Text wurde von Kindernothilfe Luxembourg verfasst.